Foto Marktplatz Nidda

Reformation vor Ort

Reformation vor Ort

Das frühe 16. Jahrhundert war eine Epoche tiefgreifender Veränderungen. Antikes Wissen wurde wiederentdeckt, der Buchdruck revolutionierte die Verbreitung von Informationen und der Aufstieg der Städte stellten das Herrschaftsmonopol des Adels zunehmend in Frage.

In diese Zeit fällt die kirchliche Erneuerungsbewegung, die bis heute untrennbar mit dem Namen Martin Luther verbunden ist. Anstoß für das Wirken Luthers war seine Kritik am Ablasshandel, bei dem für das Zahlen einer Geldsumme das Freisprechen von Sünden versprochen wurde – das Geld wiederum nutzte die Kirche u. a. für den Bau des Petersdoms in Rom.

Luther forderte das Ende des Ablasshandels und eine Kirchenreform, die neben einem staatlichen Bildungswesen auch eine Armenfürsorge sowie die Abschaffung des Zölibats und des Kirchenstaats vorsah. Für Luther hatte jeder Christ eine unmittelbare und persönliche Beziehung zu Gott.

Mit der Zeit entwickelte sich aus der Lehre Luthers eine neue Kirchenbewegung, an deren Ende ein eigenes evangelisches Glaubensbekenntnis stand. Und Luthers Übersetzung der lateinischen Bibel begründete eine gemeinsame deutsche Sprache und ein Nationalgefühl.

Luthers Wirken hinterließ auch in Nidda seine Spuren. Hier war es der Pfarrer der Johannitergemeinde, Johannes Pistorius der Ältere, der 1526 die Reformation einführte. Als ein enger Freund des Reformators Philipp Melanchthons wirkte Pistorius bei wichtigen Entscheidungen der jungen protestantischen Kirche in Deutschland mit.

So war Pistorius im Jahr 1530 an der Formulierung der Confessio Augustana beteiligt, dem ersten evangelischen Glaubensbekenntnis. In Worms und Regensburg vertrat er bei Religionsgesprächen mit Vertretern der katholischen Kirche die Seite der Protestanten.

In Nidda selbst machte Pistorius Nächstenliebe und Seelsorge zu seinen wichtigsten Aufgaben als Pfarrer. Ohne Rücksicht auf seine eigene Gesundheit unterstützte er auch während der Pestepidemien seine Gemeindemitglieder. Als Superintendent der Diözese Alsfeld machte er es zu seiner Pflicht, den weitverstreuten Kirchengemeinden beizustehen. Seine auf Ausgleich und Toleranz ausgerichteten Überzeugungen halfen dabei, in Nidda religiöse Ausschreitungen und Gewalt einzudämmen. Hexenverfolgungen und Pogrome gegen Juden hat es dank Pistorius in Nidda nicht gegeben.